Neue Interviewreihe “Fit für die Gründung – Profis starten durch!”

25.05.2022

In diesen Interviews erzählen uns Gründerinnen und Gründer ihre persönliche Existenzgründungsgeschichte. Gemeinsam haben sie, dass sie den Sprung in die berufliche Selbstständigkeit aus einer Anstellung wagten.

Folge – 3 – Shadow Your Future GmbH

Gründerin und Geschäftsführerin der Shadow Your Future GmbH ist Jill Hollender. Shadow Your Future (SYF) ist ein junges Start-up, das bei der praktischen Berufsorientierung sowie Nachwuchssicherung im Unternehmen unterstützt. Über eine Online-Plattform werden Schüler und Unternehmen über kurze, praktische Berufseinblicke, sogenannte “Shadowings”, zusammengebracht. Unternehmen haben dabei die Chance, Jugendliche frühzeitig, persönlich und individuell zu begeistern, um potentielle Nachwuchskräfte zu finden.

Wie hat sich Ihr Gründungsprozess gestaltet?

Jill Hollender: Ich habe SYF neben meiner Vollzeitbeschäftigung bei IBM ca. 6 Monate nach Abschluss meines dualen Masterstudiums 2019 gestartet. Zu diesem Zeitpunkt habe ich zunächst Markt- und Zielgruppenanalysen sowie Umfragen durchgeführt, um den Bedarf und das Konzept zu evaluieren. Zahlreiche Gespräche mit Unternehmen, Jugendlichen, Eltern und Lehrern haben mich in meinem Vorhaben bestärkt und eine Grundlage für die Erstellung eines Minimum Viable Product geboten, also einer provisorischen Plattform, um als Einzelunternehmen nebenberuflich zu starten. Durch die Vollzeitbeschäftigung, einen unternehmensinternen Rollenwechsel bei IBM sowie die Pandemie konnte ich die Selbstständigkeit im Nebenerwerb während dieser Zeit nur sporadisch und in kleinen Schritten vorantreiben.

Wie war Ihre berufliche Ausgangssituation vor der Gründung? Was war Ihre Motivation für die Gründung?

Die Motivation Shadow Your Future zu gründen, entstand durch meine Tätigkeit bei IBM. Während meines dualen Studiums durfte ich dort das Konzept eines Job Shadowings näher kennenlernen. IBM bietet Mitarbeitern intern die Chance, Einblicke in verschiedene Jobrollen im Rahmen eines Shadowings zu gewinnen. Man wird sozusagen zum „Schatten“ eines Mitarbeitenden, schaut ihm über die Schulter und erlebt dessen Berufsalltag hautnah. Genau diese kurzen Einblicke hätte ich mir als Jugendliche vor meinem Schulabschluss gewünscht, um meine Stärken, Schwächen und Leidenschaften besser kennenzulernen, um mich leichter für eine berufliche Laufbahn zu entscheiden. Was mich im nächsten Schritt auf das Konzept von SYF brachte und wodurch in mir die Gründungsmotivation gewachsen ist, war eine Studienreise in die USA. Während dieser Reise durfte ich zahlreiche Unternehmen in verschiedenen Städten kennenlernen, unter anderem im Start-up Hotspot Silicon Valley. Die Einblicke und Eindrücke waren für meine persönliche Entwicklung unglaublich wertvoll und genau diese Chance möchte ich Jugendlichen in ihrer Berufsorientierungsphase bieten.

Was hat sich nach der Gründung anders entwickelt als geplant, welche unerwarteten Ereignisse gab es?

SYF wird aktuell von zwei Investoren gefördert. Zu Beginn habe ich SYF eigenständig als Einzelunternehmen durch meine Vollzeitbeschäftigung finanziert. Eine Finanzierung über Investoren und die Gründung einer GmbH waren ursprünglich nicht geplant. Ich wollte das Start-up zunächst nebenberuflich als zweites Standbein aufbauen und meine Karriere bei IBM weiterführen. Als ich 2021 einen potenziellen Kunden gewinnen wollte, war dieser vom Konzept und Potenzial begeistert und hat mir eine Förderung als Investor angeboten. Dieser Investition stand ich zunächst sehr skeptisch gegenüber, denn ich hatte mich mit dem Gedanken, Unternehmensanteile für eine Finanzierung abzugeben nicht beschäftigt. In Gesprächen mit dem Investor wurde mir klar, was für eine einmalige Chance mir geboten wurde und ich fasste Vertrauen. Bevor ich den Schritt wagte in Vollzeit für mein Unternehmen tätig zu werden, konnte ich einen weiteren Investor begeistern, mit einzusteigen. Im Oktober 2021 bin ich als Geschäftsführerin der Shadow Your Future GmbH gestartet.

Gab es Institutionen, die Sie in der Gründungsphase und anschließend hilfreich unterstützt?

Als ich mir das Konzept von SYF und eine mögliche Umsetzung überlegt hatte, stand ich vor diversen Herausforderungen. Eine erste Unterstützung habe ich bei einer einstündigen kostenlosen Gründungsberatung im Stuttgarter Rathaus erhalten. Für alle weiteren Fragestellungen habe ich mich an die Senioren der Wirtschaft gewandt, über die ich bis heute großartige Unterstützung erfahre. Die Expertise und das Netzwerk sind Gold wert und die Beratung erfolgt ehrenamtlich durch ehemalige Führungskräfte und Unternehmer. Über die Wirtschaftssenioren konnte ich mich mit der Wirtschaftsförderung in Rutesheim vernetzen, die mich mit einem Pilotprojekt und ihrem Netzwerk wiederrum unterstützt hat, über das ich auch mit dem Investor in Kontakt gekommen bin. Über das Pilotprojekt konnte ich erste Kunden gewinnen.

Wodurch unterscheiden Sie sich von Ihren Wettbewerbern?

Wir bieten keine weitere Ausbildungs- oder Stellenbörse, sondern setzen einen Schritt vorher in der Berufsorientierungsphase an. Jugendliche wissen oft noch nicht, wo ihre Stärken und Schwächen liegen oder in welchen Unternehmen sie gerne arbeiten möchten. SYF ermöglicht es ihnen das herauszufinden, um im Anschluss eine fundierte Entscheidung für den beruflichen Weg zu treffen. Schüler können durch uns mit Unternehmen einfach in Kontakt treten und einen unverbindlichen, praktischen Einblick anfragen.
Diese ermöglichen es den Unternehmen mit geringem Kapazitätsaufwand zahlreiche Jugendliche früh zu begeistern; sie ersparen spätere kostenintensive Recruiting-Aufwände und reduzieren Ausbildungsabbrüche. Wir kooperieren wir mit zahlreichen Schulen, bieten Social Media Marketing sowie eine schülergerechte Formulierung der Shadowing Angebote.

Was ist für Sie besonders spannend in der beruflichen Selbstständigkeit?

Die Freiheit den Alltag selbst zu bestimmen und die Motivation ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen, was einen gesellschaftlichen Mehrwert bietet, waren für mich die Hauptargumente für die Selbstständigkeit. Aus jeder Aktivität und jedem Gespräch ergeben sich neue Ideen, Termine, Aufgaben, die sehr abwechslungsreich und aufregend sind. Ich lerne unglaublich viel in allen Bereichen des Unternehmertums, persönlich und inhaltlich. Es ist ein Abenteuer!

Was waren und sind die größten Herausforderungen und wie gehen Sie damit um?

Die Selbstständigkeit bringt neue Herausforderung mit sich. Alles steht und fällt mit der eigenen Unternehmerpersönlichkeit. Man muss den Tag sehr gut strukturieren, um effizient arbeiten zu können und den Überblick nicht zu verlieren. Wenn etwas nicht so gelaufen ist, wie man es sich vorgestellt hat, muss man sich auch wieder selbst motivieren. Man braucht viel Geduld, Durchhaltevermögen. Ich musste lernen Pausen zu machen, um abzuschalten und um neue Energien zu tanken. Meine größte Herausforderung in diesem Zusammenhang war es, dem Arbeitstag ein Ende zu setzen. Ich habe für mich herausgefunden, dass Kurz-Trips in regelmäßigen Abständen optimal sind, um guten Gewissens abzuschalten, die Vogel-Perspektive nicht zu verlieren und auf neue Ideen zu kommen.

Welche Erfahrungen haben Sie als Unternehmer:in bisher mit Krisen gesammelt und wie gingen/gehen Sie damit um?

Die Selbstständigkeit ist geprägt von Höhen und Tiefen. Mir hat gezeigt, dass ein kurzes Telefonat mit meinen Investoren sehr hilft, schnell Lösungen zu finden. Beide sind erfahren und pragmatisch. Ich finde es daher sehr wichtig, jemanden an der Seite zu haben, der daran erinnert: „Geht nicht, gibt’s nicht“.

Wo soll Ihr Unternehmen in fünf Jahren stehen?

Über SYF sollen Shadowings deutschlandweit und darüber hinaus angeboten werden, um Schüler und Unternehmen zusammenzubringen. SYF soll als Baustein im Rahmen der Berufsorientierung jeder Schule zugänglich gemacht werden.

Herzlichen Dank für den Einblick und die Anregungen!

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