27.06.2022
In diesen Interviews erzählen uns Gründerinnen und Gründer ihre persönliche Existenzgründungsgeschichte. Gemeinsam haben sie, dass sie den Sprung in die berufliche Selbstständigkeit aus einer Anstellung wagten.
Folge – 4 – SPIRIT/21 GmbH
Die SPIRIT/21 GmbH begleitet als inhabergeführtes Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen Kunden seit knapp einem Vierteljahrhundert bei allen Fragen rund um die IT. Heute ist SPIRIT/21 mit mehr als 500 Mitarbeitenden an zehn Standorten in der DACH-Region vertreten. Im Laufe der Jahre wurde das Portfolio auf breitere Beine gestellt und durch eine Vielzahl innovativer IT-Angebote ergänzt. 2009 zogen sich die Gründer aus dem operativen Geschäft zurück. Zehn Jahre später regelten sie ihre Nachfolge und beteiligen das fünfköpfige Geschäftsführungsteam mit einem Management-Buy-Out am Unternehmen. Unsere Fragen stellten wir an Marc Bittig, den Vorsitzenden der Geschäftsführung, und seinen Vorgänger Markus Sieber, der Anfang 2022 in den Beirat wechselte.
Sie haben Ihr Unternehmen nicht neu gegründet, sondern ein bestehendes Unternehmen im Rahmen eines Management-Buy-out (MBO) übernommen. Wie kann man sich das vorstellen?
Markus Sieber (MS): Die Vorbereitungsphase – vom ersten konkreten Gespräch mit den Gründern und Alteigentümern bis zur Umsetzung des MBO – hat ungefähr drei Jahre gedauert. Zu Beginn wurden unterschiedliche Ansätze für die Nachfolgeregelung diskutiert. Dazu gehörte auch ein möglicher Verkauf des Unternehmens. In den Gesprächen kristallisierte sich heraus, dass die Gründer ihr Lebenswerk nicht aufgeben, sondern das Unternehmen in seiner jetzigen Form erhalten und an das eigene Management übergeben wollten. Damit war der Weg in Richtung Management-Buy-Out frei. Diese Grundsatzentscheidung war sehr wichtig, um die nächsten Schritte einzuleiten.
Wie war die Ausgangssituation vor dem MBO?
Marc Bittig (MB): Wir gehörten beide zum fünfköpfigen Geschäftsführungsteam und verantworteten bereits seit mehreren Jahren gemeinsam mit unseren Kollegen Eberhard Armbruster, Joachim Gutheil und Andreas Weiß alle strategischen Entscheidungen und damit die Entwicklung des Unternehmens.
Was war die Motivation für den MBO und damit Ihren Weg in die unternehmerische Selbstständigkeit?
MS: Im Geschäftsführungsteam waren wir uns – trotz unterschiedlicher persönlicher Ziele und Wertvorstellungen – schnell einig, dass wir genauso wie die Alteigentümer das Unternehmen in seiner jetzigen Form erhalten und nachhaltig am Markt positionieren wollten. Ohne dieses gemeinsame Grundverständnis wäre eine erfolgreiche Umsetzung des MBO ganz sicher nicht möglich gewesen.
Gab es Institutionen und Partner, die Sie in der Phase der Übernahme und anschließend hilfreich unterstützt haben? Wie sah diese Unterstützung konkret aus?
MS: Die Realisierungsphase war von vielen kniffligen juristischen, gesellschafts- und steuerrechtlichen Fragen begleitet. Deshalb beschlossen wir, eine Kanzlei hinzuzuziehen, die sich in der Materie gut auskennt und der beide Seiten vertrauten, die Alteigentümer und das neue MBO-Team. Mit der professionellen Begleitung haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. So gelang es, die Neutralität zwischen den Parteien zu wahren, Extrempositionen weitestgehend zu vermeiden und eine Beteiligungsstruktur zu entwickeln, die auf die Zukunft ausgerichtet ist und die Neuaufnahme bzw. das Ausscheiden von Gesellschaftern vertraglich regelt.
Was waren während des MBOs die größten unternehmerischen Herausforderungen für Sie?
MS: Der Wechsel des Eigentümers gehört zu den größten Einschnitten in der Entwicklung eines Unternehmens. Für die Gründer ist damit meist der Ausstieg aus dem Berufsleben und der Abschied von ihrem Lebenswerk verbunden. Da sind naturgemäß eine Menge Emotionen im Spiel. In der Entscheidungsphase war es für uns nicht immer einfach, die unterschiedlichen Argumente, Standpunkte und Befindlichkeiten aller Beteiligten zu balancieren. Nach intensiven Diskussionen und toughen Verhandlungen über den Unternehmenswert einigten sich schließlich alle Beteiligten auf gemeinsame Spielregeln und beschlossen, Anteile in gleicher Höhe zu übernehmen.
MB: Je mehr Stakeholder involviert sind – in unserem Fall waren es drei Alteigentümer und fünf potenzielle Neugesellschafter -, desto schwieriger wird es, die verschiedenen Interessenslagen unter einen Hut zu bekommen. Schließlich überzeugte die MBO-Lösung, mit der wir zwei wichtige Ziele adressieren konnten: Kontinuität in unseren Geschäftsbeziehungen und Zukunftsperspektiven für unsere Mitarbeitenden. Ein großer Vorteil war, dass das übernehmende Management-Team ja bereits bekannt und mit den Anforderungen auf Mitarbeiter- und Kundenseite bestens vertraut war. Aktuell geht es nun darum, die in uns gesetzten Erwartungen langfristig zu erfüllen.
Was hat sich durch den MBO in Ihrem Unternehmen verändert?
MB: Der erfolgreiche Abschluss des MBO war ein bedeutender Meilenstein in unserer Firmengeschichte. Er legte die Basis für die nachhaltige Weiterentwicklung des Unternehmens und bereitete einen Wechsel in der Geschäftsführung vor. Zwei wichtige Player, die den Management-Buy-Out maßgeblich mitgestaltet haben, verabschiedeten sich nach einer 18-monatigen Übergangsphase Ende 2021 aus der Geschäftsführung und wechselten in den Beirat: der damalige Vorsitzende Markus Sieber und sein Stellvertreter Eberhard Armbruster. Anfang 2022 rückte Matthias Hüttner als neues Mitglied nach, der Vorsitz wurde von mir übernommen. Auf diese Weise haben wir einen fließenden Übergang der Führungsverantwortung, Kontinuität im Management und damit ein wichtiges Unternehmensziel erreicht.
Welche Bedenken bzw. Ängste hatten Sie im Zusammenhang mit dieser Übernahme und wie sind Sie damit umgegangen?
MS: Eines war für uns Neugesellschafter von Anfang an klar: Dass wir uns und unsere Familien durch die Übernahme von Geschäftsanteilen langfristig an das Unternehmen binden – finanziell, beruflich und vor allem auch emotional. Die Vor- und Nachteile haben wir in unserem privaten Umfeld ausführlich diskutiert und sind gemeinsam zu der Entscheidung gelangt, dass für uns jetzt genau der richtige Zeitpunkt ist, diesen Schritt zu tun und von der Angestellten- auf die Unternehmerseite zu wechseln.
Welche (Lern-)Erfahrungen haben Sie als Unternehmer bisher in Krisen gesammelt?
MB: Ruhe bewahren, die Lage analysieren, notwendige Entscheidungen rasch treffen und noch intensiver kommunizieren.
Welche konkreten Anregungen haben Sie für potenzielle Gründer oder Mitarbeiter:innen eines Unternehmens, die ein bestehendes Unternehmen übernehmen und führen wollen?
MS: Häufig wird der erforderliche Zeitaufwand und die emotionale Seite bei der Unternehmensübergabe unterschätzt. Unserer Erfahrung nach kommt es vor allem darauf an, den Eigentümerwechsel rechtzeitig und systematisch vorzubereiten. Dazu gehört neben der Einbeziehung externer Berater, die frühzeitige Information der Belegschaft und eine transparente, kontinuierliche Kommunikation mit allen Stakeholdern während der gesamten Übergangsphase.
Welche Qualitäten sollte man als Unternehmer:in mitbringen bzw. sich aneignen?
MB: Ohne Leidenschaft und ein Brennen für die Sache, klappt der Sprung auf die Unternehmerseite ganz sicher nicht. Spaß an neuen Themen und die Kraft, Ungewissheiten aushalten zu können, sind nach unserer Erfahrung weitere wichtige Eigenschaften. Selbstverständlich gehören auch eine gute Portion Risikobereitschaft, Durchsetzungsvermögen und vor allem gute Kommunikationsfähigkeiten dazu.
Was sind die nächsten großen Schritte für Sie und Ihr Unternehmen?
MB: Das kontinuierliche Verändern gewachsener Strukturen gehört seit jeher zu unserer Unternehmenskultur. Das aktuelle Geschäftsführungsteam steht dabei für eine mittelstandsorientierte Ausrichtung mit einem moderaten, am Markt orientierten Wachstum. Unser Ziel ist und bleibt die langfristige Existenz des Unternehmens. Mit unserem MBO wurde der Grundstein für ein Generationenmodell mit Perspektiven für nachfolgende Managementgenerationen gelegt. Das heißt, auch das heutige Führungsteam kann sich mittelfristig auf die gleiche Weise verändern und weiterentwickeln.
Welchen Mehrwert hat es für Ihr Unternehmen im Softwarezentrum angesiedelt zu sein?
MB: Unser Firmensitz befindet sich seit fast 20 Jahren im Softwarezentrum Böblingen/Sindelfingen. Das zeigt, dass wir uns hier – in unmittelbarer Nachbarschaft vieler junger und etablierter IT-Unternehmen – sehr wohl fühlen. Gerne nutzen wir die vorhandene Infrastruktur und die vielfältigen Networking-Möglichkeiten.
Herzlichen Dank für den Einblick und die Anregungen!