Neue Interviewreihe “Fit für die Gründung – Profis starten durch!”

27.07.2022

In diesen Interviews erzählen uns Gründerinnen und Gründer ihre persönliche Existenzgründungsgeschichte. Gemeinsam haben sie, dass sie den Sprung in die berufliche Selbstständigkeit aus einer Anstellung wagten.

Folge – 5 – proofnet GmbH

Die proofnet GmbH wurde im Jahre 2015 gegründet und besteht aktuell aus rund 10 MitarbeiterInnen. Das Unternehmen ist spezialisiert auf den Security PenTest im Automotive Umfeld, insbesondere dem Bereich Connected Car. Vereinfacht gesagt wird versucht, die Automotive Steuergeräte der Kunden in deren Auftrag anzugreifen, um Schwachstellen aufzudecken und im äußersten Fall auch konkret auszunutzen.

proofnet unterstützt und begleitet seine Kunden während der Entwicklung zukünftiger Fahrzeuggenerationen und ist neben den Hands-on Untersuchungen, z.B. auch an Konzept-Reviews etc. beteiligt, sprich analysiert geplante Security Maßnahmen schon auf dem Papier und zeigt Verbesserungspotentiale hinsichtlich der Absicherung auf.

Das Unternehmen arbeitet auf diesem Gebiet sowohl mit internationalen OEMs im Automobilbereich als auch mit Zulieferern von Connected Car Steuergeräten zusammen. Geleitet wird das Unternehmen von den zwei geschäftsführenden Gesellschaftern: Roman Schmidt und Susanne Goldammer, die das Unternehmen gemeinsam aufgebaut haben.

Wie sah der Gründungsprozess des Unternehmens aus?

Susanne Goldammer: Der Gründung der proofnet GmbH ging eine jahrelange Selbständigkeit als Freiberufler voraus. Zuvor war ich kurze Zeit bei einem Unternehmen angestellt, für das ich bereits als Studentin tätig war. Die fachlichen Themen als Selbstständige waren anfangs eher entwicklungsorientiert, aber immer schon mit Anlehnung an die Bereiche Automotive und/oder Security. Mit den Jahren haben sich die Projekte mehr und mehr in den Bereich Security Pen Test verschoben, nachdem der Bedarf hierfür bei den Kunden zunehmend in den Fokus gerückt ist.

Was bewegte Sie zur Gründung der GmbH?

Die Freiberuflichkeit ist vom Grundsatz her eine schöne und sehr freie Art der Selbständigkeit. Durch permanent steigende Kundenanfragen und durch die große rechtliche Unsicherheit in Bezug auf das Thema Scheinselbständigkeit, war die Gründung einer GmbH der richtige logische Schritt. Die Außenwirkung einer GmbH ist zudem eine ganz andere, als bei einem Freiberufler.

Was ist für Sie besonders spannend in der beruflichen Selbstständigkeit?

Der tägliche Spagat zwischen MitarbeiterInnen, Kunden und den vielfältigen Themen kann einem auf der einen Seite den Schlaf rauben. Andererseits macht es Spaß, wenn die Planungen, Ideen und Gedanken Wirkung zeigen und wir unsere Kunden ein echtes Stück voranbringen, z.B. in dem wir wichtige Security Schwachstellen aufdecken und sie so die Chance bekommen, diese noch vor Markteinführung zu beheben.

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag im Laufe der Jahre in der Selbstständigkeit verändert?

Als studierte Informatikerin war ich viele Jahre selbst ganz tief fachlich in die Projekte eingebunden und habe Hands-On an den Steuergeräten gearbeitet. Das hat sich mit zunehmender Unternehmensgröße verändert, d.h. ich verbringe einen Großteil meiner Zeit heute mit Projektabstimmungen, Aufgabenplanung, Mitarbeiterführung, Problemlösungen, Recruiting, Projektakquise, Neukundengewinnung etc. Die strikte Trennung nach Fachkraft, Manager und Unternehmer gibt es bei uns nach wie vor nicht. Ich persönlich finde das auch nicht schlimm, es ist sehr abwechslungsreich.

Welche Bedenken bzw. Ängste hatten Sie im Zusammenhang mit der Gründung und wie sind Sie damit umgegangen?

Die Gründung der GmbH an sich hat keine neuen Ängste hervorgerufen. Allerdings sind mit der GmbH-Gründung erste Mitarbeiter ins Unternehmen gekommen. Das bedeutete für mich, dass ich mit vielen neuen Aufgaben wie Mitarbeiterführung, Mitarbeitergesprächen, Aufgabenplanung, fachlichen Abstimmungen intern, der Lohnabrechnungen etc. konfrontiert wurde.

Der Schritt in die Freiberuflichkeit 2007 ging, so kurz nach dem Studium, tatsächlich mit der Sorge einher, ob ich damit den Lebensunterhalt für den nächsten Monat verdienen kann. Ich stamme nicht aus einer Unternehmerfamilie, in der man mit diesem Gedanken aufgewachsen ist und finanzielle Schwankungen sogar als normal ansieht. Im Nachhinein betrachtet war meine Sorge völlig unbegründet. Ich kann mich in all den Jahren nicht erinnern, dass ich mal keine Kunden und keine Projekte hatte.

Wie haben Sie Ihre ersten Kunden gewonnen?

Der erste Kunde ist aus Kontakten der vorherigen Anstellung entstanden. Nach der Kündigung durch meinen damaligen Arbeitgeber wollte der Kunde den Kontakt halten und die Projekte weiterführen. Wir arbeiten auch heute noch sehr eng zusammen und haben die Themen über die Jahre ausgebaut. Kunde 2 und 3 sind über die Freelancer Plattform Gulp akquiriert worden. Weitere Kunden kamen dann von sich aus auf uns zu, weil wir bereits in früheren Projekten für einen OEM zusammengearbeitet hatten.

Welche praktischen Tipps können Sie frischen Gründern oder Personen in der konkreten Gründungsüberlegung geben?

Ein finanzieller Puffer ist hilfreich. Bei mir war das eher nicht der Fall, weil die Selbständigkeit schon recht früh nach dem Studium anfing. Ich bin mit einem Businessplan gestartet. Den brauchte ich, für den Bezug des sogenannten Gründungszuschuss von der Agentur für Arbeit.

Die Buchhaltung und Umsatzsteuererklärung habe ich jahrelang selbst gemacht. Ich finde es wichtig, dass man seine Zahlen kennt. Viele Unternehmen scheitern, weil sie diese nicht im Blick behalten. Nach einigen Jahren, insbesondere mit dem Start der GmbH, der Mitarbeitereinstellung und den damit verbundenen Lohnabrechnungen, habe ich die Buchhaltung nach extern abgegeben.

Gibt es aus Ihrer persönlichen Erfahrung Aspekte, die Gründerinnen beim Schritt in die berufliche Selbstständigkeit besonders berücksichtigen sollten?

Es wird immer wieder über das Thema Altersarmut diskutiert, gerade bei Selbständigen. Man muss sich im Klaren sein, dass man zwangsläufig mehr verdienen sollte, als ein Angestellter. Nur so kann man seine eigene finanzielle Altersvorsorge betreiben und Ausfallzeiten wie Krankheit und Urlaub auffangen.

Das Thema Krankenversicherung ist auch zu durchdenken. Als freiwillig gesetzlich Versicherte hätte ich den Höchstbetrag bezahlt. Ich bin deshalb recht früh in die private Krankenversicherung (PKV) gewechselt. Was man in jungen Jahren spart, kommt bekanntermaßen über die Jahre obendrauf. Kinder müssen ebenfalls in der PKV versichert werden, sofern der besserverdienende Elternteil dort versichert ist.

Wie bleiben Sie als Unternehmer:in informiert und up to date?

Meist über Portale wie Xing oder LinkedIn, im Informatikbereich auch z.B. über Heise. Ich habe vor einer Weile ein Blinkist-Abo abgeschlossen. Dort werden Fachbücher (keine technischen!) auf 15 Leseminuten komprimiert. Oft gibt es diese auch zum Anhören, das empfinde ich als sehr praktisch. Fachlich bilden wir uns z.B. über die Black Hat, ein internationales Veranstaltungsformat zur Cybersecurity, weiter.

Welche unternehmerisch schwierigen Situationen haben Sie erlebt und wie sind Sie diesen begegnet?

Das größte Risiko für unseren Bereich ist tatsächlich der Fachkräftemangel. Wir haben seit kurzem eine neue Mitarbeiterin. Ihre Aufgabe ist das Recruiting und Employer Branding: Wenn man nicht sichtbar ist, hat man kaum eine Chance. Daran arbeiten wir gerade.

Welche Qualitäten sollte man als Unternehmer:in mitbringen bzw. sich aneignen?

Eigeninitiative und Eigenverantwortung sind die wichtigsten Eigenschaften. Man muss die Aufgaben und Bedürfnisse anderer sehen und erkennen, um dem Kunden hieraus einen Mehrwert zu bieten. Wichtig finde ich, dass man hinter dem steht, was man als Unternehmer:in tun möchte, statt aus Mangel an Alternativen ein Unternehmen zu gründen.

Herzlichen Dank für den Einblick und die Anregungen!

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